Heiter und Konzentriert

Die Malerin Skadi Engeln überrascht mit bemerkenswert sensibler Landschaftsmalerei

Von Richard Rabensaat

Gewittrige Himmel die bleischwer über einer kleegrünen Landschaft hängen. Der Horizont, in unbestimmter Ferne verschwimmend. Formen, Farbschlieren, die sich wie dünne Seidentücher übereinander lagern und schließlich zu einem vielschichtigen Klang finden.

Farbräume spannen sich auf in den Bildern von Skadi Engeln.
Sie haben ihre Herkunft in der Erinnerung an konkrete Landschaften, reichen aber weit darüber hinaus. Die Farbfelder langen in eine imaginäre Tiefe, die stets unbevölkert ist. Personen tauchen in den Bildern der Künstlerin nur sehr selten auf. Das beherrschende Thema ist der Raum, wie er sich in freien Farbklängen immer wieder aufs Neue strukturiert. Gelegentlich lösen sich die Formen völlig auf. Zuvor angedeutete Perspektiven verschwinden in einem Feld aus Flecken. Dabei sind Bilder, wie die Impressionen der Künstlerin vom Jacobsweg, auf dem sie gewandert ist, nie bloße Wiedergabe des Gesehenen und Erlebten. Nicht die Schilderung des Angeschauten, sondern die Eindrücke die sich darüber hinaus im künstlerischen Blick und Gefühl verdichtet haben, sind das Thema der Malerin.

Obwohl die Räume alle Narration verweigern, wirken sie dennoch von warmen Leben durchflutet. Dieser Eindruck resultiert wesentlich aus Sensibilität, mit der die Künstlerin Farbklänge komponiert. Die entstehenden Schichtungen vermeiden harte Kontraste, mildern Gegensätze zumeist mit verschwimmenden Konturen und nebeligen Umrissen ab. Helle Stichmuster legen sich über dunkle Untergründe, verschmelzen aber nicht mit diesen, sondern lagern in einer schwebenden Balance darüber. Ihr Farbgefühl und die unerhörte Geschicklichkeit im Umgang mit auseinander liegenden Farbspektren erlauben es der Malerin Bögen zu spannen, die den Betrachter fesseln. Die Bilder vermitteln dabei eine heiter wirkende, kontemplative Ruhe.

Finden sich Lebewesen auf den Bildern, so sind es zumeist Tiere, Giraffen, Kühe. Sie wirken gelassen, schauen dem Betrachter gleichgültig entgegen, wandern gemächlich durchs Bild. Die Bildwelten von Skadi Engeln scheinen ein Gegengewicht zu der hektischen Großstadt zu bilden, in der die Künstlerin lebt und arbeitet. Das Treiben in modernen Metropolen, häufig als ‚Leben aus dem Gleichgewicht’ beschrieben, nervös, gereizt und rastlos, spiegelt sich in den ‚Landschaften mit Wasser und Wolken’ nicht wieder. Weit entfernt sind die Bilder von der nicht selten sinnfreien Geschäftigkeit moderner Zeitplanung und handybestimmter Unrast städtischen Lebens.

Wenn sich - sehr selten - dann doch ein Splitter der unabweisbaren Realität ins künstlerische Schaffen drängt, erhält dieser eine poetisch anmutende Form. Zu der Bilderserie ‚Zwischenraum’ schildert Skadi Engeln die Begegnung mit einem Elternpaar, das zu ihr kam und die Tochter durch die Hand des Sohnes verloren hatte. Es sei ihr vorgekommen, als berge der Vater einen Eisblock in sich, scharfkantig, sperrig und von schneidender Kälte. Diesen ihr bildhaft vor Augen stehenden Eisblock malte sie auf dem Wasser schwebend in Form eines Schiffes als ‚Symbol des auf dem Fließenden Getragenen, des Lebens und des Übergangs im Tod’ (Engeln) Die Bilderserie erinnert an die griechische Hades Mythologie, den Fluss Styx, der die Welt der Lebenden und die der Toten trennt. Es zeigt sich die Verknüpfung gegenwärtiger Tragödien mit altgriechischer Mythologie. So konkret wird eine Thematik bei Skadi Engeln allerdings selten. Meist bewegen sich ihre Bilder nahe an der Grenze zur völligen Abstraktion, in deren Tradition die Malerin steht.

Seit sich die Malerei aus dem Korsett gegenständlicher Abbildung befreit hat, sind Künstler in der Abstraktion viele Wege gegangen. Die Spannbreite reicht von den nervösen post-war Scratchings eines Wols über die Hard-Edge Malerei von Barnett Newmann bis hin zu Mark Rothkos Meditationsbildern. Rothko entfernte sich nach einer zunächst gegenständlich begonnenen Malerei von der Darstellung des konkret Fassbaren und wandte sich schwingenden Farbklängen und Feldern zu, dies häufig in dunklen Tönen. Spätestens nach dem zweiten Weltkrieg schien die gegenständliche Malerei, die schon durch die Fotografie einen schweren Schlag erhalten hatte, am Ende zu sein. Die westliche Postmoderne wandte sich ausdrücklich von der Gegenständlichkeit ab. Es galt der östlichen Figuration zu zeigen, dass vor dem eisernen Vorhang ein ungebundener Geist weht. Figurative Darstellung stand sogleich unter Ideologieverdacht. Zudem hatten Künstler wie De Kooning oder Rauschenberg mit dem abstrakten Expressionismus erstmals in Amerika eine Ton angebende Stilrichtung artikuliert, die sich gegenüber dem alten Europa vollmundig behaupten konnte.

Die einige Jahrzehnte hoch gehaltene Doktrin der Gegenstandlosigkeit ist mittlerweile wieder zerbröselt. Kommerziell überragende Erfolge feierte in den vergangenen Jahren eine surreal anmutende, symbolgeladene Noefigurative, die gelegentlich mit dezidiert ostigem Charme daher kam. Hierbei, wie überhaupt in der Kunstgeschichte, blieb die Landschaftsmalerei ein randständiger Bereich. Ausnahmen wie William Turner, Claude Monet oder Karl Hagemeister bestätigen dies. Schon bei Turner und Monet jedoch ist eine Auflösung des Gegenständlichen und eine deutliche Hinwendung zur reinen Farbfläche erkennbar. Von hier zieht sich eine ideelle Linie zu den hoch differenzierten Farbschichtungen Skadi Engelns.

Skadi Engelns Position besticht durch Klarheit und Eindeutigkeit. Ihre Bilder wirken wie offene Räume, die aus sich heraus atmen und keiner trend- oder zeitgeschichtlichen Rechtfertigung bedürfen. Aus ihnen spricht das genaue Wissen der Malerin um den eigenen künstlerischen Standpunkt. Sie schweben zwischen der freien Abstraktion und einer gegenständlichen Andeutung. Ähnlich wie bei dem Amerikaner Mark Rothko lösen sich die Formen auf, werden zu einem organischen Ganzen und ziehen den Betrachter dann in meditativem Sog in das Bild. Anders als bei Rothko, der sich 1970 das Leben nahm, klingt bei Skadi Engeln aber auch in Bildern, die als Regenlandschaften gedeutete werden können, eine Heiterkeit und Leichtigkeit mit. Ihre Spannung bezieht die Malerei Engelns nicht aus einem drohenden Unheil, das die Grundierung jedenfalls der späten Bilder Rothkos zu bilden scheint, sondern aus einer lyrisch-poetischen Deutung von Welt und Landschaft. Trotz ihrer Gegenstandslosigkeit erreicht die Malerei so eine Tiefe und Konzentriertheit, die es der Malerin erlaubt, selbstbewusst ihren ganz eigenen Weg der Abstraktion fortzusetzen.